MTB Marathon Pfronten 2022
Was passiert eigentlich, wenn ich mich vier Wochen auf ein Rennen vorbereite? Zwischen Abendessen mit Jenny Rissveds, Fotoaufträgen, Weltcups und Männer-Trips habe ich es mal ausprobiert. Die Überraschung war wenig überraschend, man hätte es sich denken können.

Keine Ahnung wann ich meinen letzten richtigen Rennbericht geschrieben habe. Es dürfte 2016 gewesen sein und dann 2018 nochmal für das 4 Islands Stage Race. Als Rebi und ich die Mixed-Wertung auseinander genommen haben. Jetzt, ein paar Jahre, ein paar ausgefallene Haare später, ein paar Erkenntnisse weiser und um ein paar Falten attraktiver sitz ich hier. Meinen, von der Sonne aufgeheizten Laptop auf dem Schoß, in einem kleinen Bachlauf unweit von Pfronten. Seit Donnerstagabend bin ich inzwischen hier im Allgäu…

Um das ganze Unterfangen hier etwas erläutern zu können, muss ich ein bisschen ausholen… Anfang Mai startete ich, wie üblich, beim Bike Festival in Riva. Und bin auf der Ronda Grande schon ein bisschen eingegangen – ich habe einfach zwei Stunden gelitten. Nur noch so vor mich hingefahren um nicht vom Rad zu fallen. Nicht schnell, aber vorwärts. Das Erlebnis war irgendwie einschneidend, sodass ich dachte jetzt muss ich mal was anders machen! So hatte ich keinen Spaß am Rennfahren. Ich sag mal so: Es ist Zeit vergangen, bis ich ernsthaft was daran geändert habe.

Schlussendlich erstmal unbewusst, aus meiner Lebenssituation heraus. Ich war für das Kitzalpbike Festival angemeldet. Wegen der krassen Strecke mit ursprünglich 45km, über 2500Hm und der Fleckalmtrail-Abfahrt, eines meiner Lieblingsrennen. Reingequetscht zwischen Wochenenden mit Fotoaufträgen in Winterberg, im Erzgebirge, dem Weltcup in Leogang und Biken am Reschensee. Da war ich vier Wochen in meinem VW Bus unterwegs. Hab ein bisschen gearbeitet, Freunde besucht und mein Leben mit allen Höhen und Tiefen gelebt. Schlussendlich in Kirchberg gestrandet, bin dort das Rennen mal anders angegangen als sonst. Ausnahmsweise nicht vollgas los, stattdessen hatte ich mir mit Bedacht ein paar Knusperkräfte für die zweite Rennhälfte aufgespart. Yannick Heinlein hat ne Pace vorgegeben und ich bin hinterher gefahren. Das hat sich im Rennen eben so ergeben. Es hat sich richtig gut angefühlt. Gehyped von der drittschnellsten Abfahrtszeit am Fleckalmtrail hab ich kurzerhand beschlossen am nächsten Tag noch die Mitteldistanz in Trieb fahren zu wollen (nochmal 48km). Ein Wochenende mit über 100 Rennkilometern und zwei Podiumsplatzierungen. Das war die Motivation an dieser Stelle weiterzumachen. Ein Wochenende Pause, dann Weltcup Lenzerheide und zwei Wochenenden später eben Marathon in Pfronten. Das hat mir gut gepasst, denn so konnte ich unter der Woche mal ein paar Intervalle fahren. Hab ich ewig nicht gemacht, dazu musste erstmal in meinem Garmin kramen, was man da so machen kann :D

Das Training hab ich dann ziemlich genau vier Wochen lang so durchgezogen. Bei dem Wetter war es auch nicht schwer von zuhause loszukommen. Umso gespannter war ich auf das, was dabei im Rennen rauskommen würde. Man könnte fast behaupten ich hätte mich auf das hier vorbereitet. Aber, wie das Leben jedem von uns irgendwann zeigen wird oder gezeigt hat „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!“. Deswegen hab ich mir am Freitag Abend beim Kochen erstmal versehentlich den Transponder meiner Startnummer zerschnitten. Ups Pardon! Also nochmal hin zur Anmeldung… „Ähm, hi, ich wieder… mir is da was passiert und es ist mir unfassbar peinlich… aber ich hab beim Gemüse schneiden den Transponder von meiner Nummer erwischt…“ Mit ein bisschen Grinsen und Augenklappern hatte ich die Damen bei der Anmeldung weich gekriegt und erhielt eine neue Startnummer. Ohne meinem Namen drauf, die letztmögliche Nachmelder-Nummer. – Besser als nichts, dachte ich mir und bin voller Dankbarkeit wieder abgezischt.

Am Abend gegen 23:30 Uhr, es begann leise zu Tröpfeln, spielten die angemessen alkoholisierten Besucher des Tennis-Clubs (auf dessen Parkplatz ich mich niedergelassen hatte) in entsprechender Lautstärke „Don’t stop believing“. Ich lag in meinem Auto auf dem Bett, hatte die Schiebetür offen und hab es gefühlt. Ich wollte einfach in diesem Moment verweilen – ihn genießen. Alles, außer der Regen, lief mehr oder weniger so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Mindset passt – ich kann starten.

Um 10:15 war der Start. Meine Getränkeversorgung geregelt, ich hatte ausreichend gefrühstückt, mein Rad war sauber und in Top Zustand wie immer. Für untenrum fiel die Entscheidung auf weiße Unabux Sportsocken mit hellblauen Herz an der Wade. Passt perfekt, weil pünktlich um 10 Uhr besuchte uns ein Regenschauer. Da sind weiße Socken immer super! So bin ich dann also mit Daunenjacke, GoreTex Regenjacke und Regenschirm zum Startbereich gerollt… Alle haben mich ankommen sehen. Sonst hatte weder jemand ne Jacke an, noch nen Regenschirm dabei. Dafür waren die meisten an diesem Tag wohl schon länger als 5 Minuten auf dem Rad gesessen. Kaltstart eben, aber Hauptsache gut aussehen und riechen als wärst du der komplette Wellnessbereich!

Hier bin ich. Wer will mich? „Willst du dich nicht langsam mal ausziehen?“ wurde ich gefragt. „Wieso, ich hab doch noch 8:43 Minuten Zeit bis zum Start“ grinste ich. :) Für gewöhnlich ziehe ich es in der Startphase vor eher defensiv zu fahren und unterhalte mich noch ein bisschen bis es dann zur Sache geht. Nicht immer treffe ich hiermit auf verständnisvolle Mitstreiter… Da ging es auch schon los mit der Einer-Reihe. Keine Ahnung warum ich schon wieder so weit hinten positioniert war. Konnte gerade noch die Spitze des Feldes sehen, wusste aber auch, dass es bald wieder besser wird und der erste Anstieg beginnen würde. Da war wieder schön zu beobachten, wie sich das Feld auseinander zog. Vorne ging eine kleine, starke Gruppe aus lokalen Fahrern die wussten was kommt. Da wollte ich nicht hin. Mein Plan war erstmal warm zu werden, nicht zu überziehen und dennoch nicht allzu viel Rückstand zu kassieren. Das hat auch ganz gut geklappt. Meine Beine haben gut ausgesehen und ich fand recht zügig einen straffen Tritt mit der Tendenz hier schon einige Plätze gutzumachen.

Vorbei am Sportheim Böck, eine rutschige, steile Rampe rauf, höre ich es vom Streckenrand: „Schau her! Der erste, der es komplett raufgefahren ist!“ Das zu hören war für mich natürlich eine Genugtuung und Motivation, den restlichen Anstieg so weiter zu machen… Die Abfahrt ins Vilstal war etwas einsam. Es ist nicht viel Berichtenswertes passiert. Lediglich einen vorausfahrenden Konkurrenten konnte ich einsammeln. Und  mit über 82km/h einem neuen, persönlichen Top-Speed Rekord auf Schotter aufstellen. – Ich denke, das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun :D Bis oben zum Himmelreich, war ich längst wieder abgehängt. Ich wollte ja nur konstant fahren und den Breitenberg mit seinen rund 900 Hm zum Schluss nicht komplett rauf krebsen, also bin ich meinen Stiefel weiter gefahren. Nach der Abfahrt war ich übrigens wieder dran…

Nach einem relativ flach ansteigenden Verbindungsstück das Achtel hinauf, schnalzten mir die ersten Meter vom Breitenberg (von der Südseite aus angefahren) so richtig ins Gesicht. Egal wieviel Schwung man mitgenommen hat – er war sehr bald aufgebraucht und die Hangabtriebskraft zerrte mit voller Wucht an meinen Beinen. Wie immer feuerte eine Gruppe Trommler alle Fahrer den Berg hinauf. Das ist super. Bis es hinter dir still wird und eine gewisse Zeit später wieder anfängt zu trommeln. Dann weißt du nämlich, wie weit oder knapp der nächste Fahrer hinter dir ist! Kurz drauf überholte mich Noah, einer aus der Spitzengruppe, mit einem Tempo das ich nicht mehr hätte halten können. Er hatte vorher einen Platten, deswegen kam er nun von hinten an und lies mich bald hinter sich. Ansonsten war auch dieser Teil des Rennens recht einsam. Vereinzelt standen ein paar einheimische Zuschauer am Streckenrand und haben ihr bestes gegeben um uns bei Laune zu halten – Danke dafür! Und etwa zum letzten Viertel bis ganz oben hatte ich einen Betreuer gefragt wie weit es denn noch sei. „Jetzt ists garnicht mehr weit, ab hier kannst du das Tempo nochmal gut festigen und durchziehen!“, motivierte er mich. Was ich erst nachher gecheckt habe – das war Manfred Reis. Er wusste wovon er spricht und er kennt mich. Meine Gedanken bis ich das gecheckt hatte waren eher wie folgt: „Wer ist das, dass er sowas auf diese doch ziemlich spezielle Art und Weise sagen kann… Mitten im Rennen. Was meint er denn damit?“ Ich habe ne Weile drüber nachgedacht und beschlossen einfach nen Gang härter zu fahren so wie er es mir zugetraut hatte. Im Nachhinein war das für mich ein sehr wertvolles Feedback vom Streckenrand, welches mich ganz bestimmt in meinen nächsten Rennen begleiten wird!

Die Abfahrt… „Und jetzt laufen lassen.“ Ich weiß nicht wie das von außen aussieht, wenn ich abfahre. Jedenfalls, für außenstehende, wohl anders als es sich für mich anfühlt. Eigentlich immer, wenn ich irgendwo an Menschen vorbeigefahren bin, ist irgendjemand zur Seite gesprungen. Dabei hab ich mich total sicher gefühlt. Gut, ich war schnell und der Untergrund stellenweise schon ruppig, aber ich hatte alles unter Kontrolle. Meine Chaoyangs (Reifen) haben gehalten. Und ich hatte richtig Spaß!

Schlussendlich kam ich nach 2:27:48 Stunden mit 7:25 Minuten Rückstand auf den Sieger, als fünfter, ins Ziel. Meine Erwartung zum Rückstand sah bis dahin noch anders aus. Ich dachte, wenn ich am Breitenberg nur fünf Minuten auf den Sieger verliere, bin ich gut dabei… Mit so einem Resultat hatte ich nicht gerechnet und bin ich einfach mega glücklich! Nach nur vier Wochen mit etwas strukturiertem Training dieses Ergebnis einzufahren bedeutet mir sehr viel mehr als dort zu gewinnen.

Ich sag euch wie’s is: Macht euch nicht zu viel Stress, seht zu, vor dem Rennen eine gute Zeit zu haben und geht mit einem leeren Kopf ins Rennen. Zu hohe Erwartungen und Druck machen euch nur langsam. Gedanken im Rennen bremsen euch!
Back to Top